Freitag, 29. März 2013

Elfte Etappe: Türkische Süd-Westküste: Bodrum-Antalya & Burdur See

Eine Stadt in weiß - Bodrum
Manu (vom 22.03.2013): Da sind wir nun wieder.... Langsam geht hier die Internetverbindung, so schnell vergeht die Zeit - und so passieren leider auch unvermeidbare Schicksalsschläge. Es kommt mir bereits wie eine Ewigkeit vor, als wir Bodrum, das uns eigentlich wegen dem starken Tourismuseinfluss gar nicht sehr behagte unsere Rasttage bei lieben Menschen gut verbachten und ihnen auch ein bisschen aushelfen konnten, indem wir Fenster putzten. Zeki, der Besitzer eines Appartment-Hotel hat uns warmherzig und in türkischer Gastfreundlichkeit bei sich aufgenommen. Wir werden sein Lächeln, morgentliches Kreuzworträtsel lösen, seinen Humor und seine Intelligenz stets in Erinnerung behalten - doch leider ist er vor kurzem von uns gegangen. Wir hoffen, dass seine Appartmentanlage, die er mit Liebe selbst aufgebaut auch in seinem Sinne weitergeführt wird und am Leben erhalten bleibt. Dir Doris und den restlichen Familienmitgliedern wünschen wir viel Kraft sowie, dass du dein Zuhause noch finden wirst! Danke für alles!!
Statt Tunnel, Schokibelohnung am Pass
Jonathan: Mir ist aufgefallen, dass die Zeit, seitdem wir in der Türkei sind sehr schnell vergeht und wir nur langsam voran kommen. Sehr weit sind wir nicht gekommen seit Bodrum und doch ist schon Ostern! Das heißt nicht, dass uns langweilig ist in der Türkei, oder dass wir müde sind. Nein, es gibt hier so viel zu erleben und zu erkunden. Außerdem werden unsere Fahrräder langsam alt. Immer wieder haben wir kleine Pannen. Mein Gepäckträger ist mit einer Schnur stabilisiert, der Frontroller wurde schon zum zweiten mal geschweißt und mein Sattel hält nur noch mit Tape zusammen. Jetzt wurde er noch mit einer alten Kinderhose überzogen...Aber es geht noch.

Manu: Dankbarkeit - diese verspürte ich bei dieser langen Etappe besonders oft: eine ältere Frau schenkt uns ein Kringerl in Bodrum, ein Trafikant bringt uns einen Stuhl während wir warten, Arbeiter luden uns auf einer bergigen Nebenstraße in ihre Container zum Mittagessen ein, eine Bewohnerin lief uns mit selbst gemachten Süßigkeiten nach und in Kinike wurden wir sogar quasi von der Straße aufgeklaubt und zur Übernachtung mit nach Hause zu einer türkischen Familie gebracht. Einfach so. Sie haben alle nicht viel Geld - trotzdem teilen und geben sie was sie haben - ohne Gegenleistung zu erwarten. Es fällt mir nicht immer leicht einfach anzunehmen, ohne zurückgeben zu können - wir lassen sie jedoch ein Teil unser Reise sein, erzählen ihnen von uns und bringen frischen Wind in ihr Haus, in ihr Leben. Auch unseren Gastgebern in Akyaka, Fethiye und Antalya bin ich dankbar, dass sie uns ein gemütliches Plätzchen und die Gelegenheit gaben warm zu duschen, uns die Umgebung zeigten und uns in die türkische Lebensweise und Traditionen einführten. 

Internationales Volunteerteam in Pastoral Vadi
Manu: Kurz vor Fethiye - in Pastoral Vadi - und Nähe Karakent beim wunderschönen Burdur See in Lisinia entschieden wir uns freiwillig zu arbeiten, um noch bessere Einsicht in das Land und für die Menschen zu haben. Eine wunderschöne, bereichernde Erfahrung! Wir durften auf dem Feld und in der Küche mithelfen, türkisch kommunizieren und andere Volunteers aus der ganzen Welt kennenlernen. Jonathan hat sogar einen Vortrag in einer Schule gehalten und im Fernsehen waren wir auch!!

Jonathan: Wir hatten gleich zweimal eine lange Pause. Bei Fethiye und bei Burdur. Beide Betriebe hatten Gemeinsamkeiten und Gegensätze, beide wollen die Welt gesünder machen, werben damit so ökologisch, so gesund zu sein und das sie sich für eine bessere Welt einsetzen und in beiden Betrieben spielen freiwillige Arbeiter eine wichtige Rolle. Und doch gehen sie äußerst unterschiedliche Wege. Pastoral Vadi war unsere erste Farm. Wir wurden herzlich aufgenommen, wir durften unser Zelt neben dem Haus aufstellen (die vielen leeren Ferien Bungalows sind nicht für Volunteers), alles wurde uns erklärt, von Arbeits- und Essenszeiten bis zu was wo wächst. Morgens pünktlich um 9:00 ist Arbeitsbeginn, gleich nach einer Stunde ist Pause, dann wieder arbeiten.... Alles hat seinen Rhythmus, tagein - tagaus. Wir konnten an einen schönen Platz neben dem Fluss zelten und es war sehr angenehm so einen geregelten Tagesablauf zu haben. Kurz gesagt: Wir gehorchten den Befehlen und bekamen dafür unser Essen. Die Arbeit war allerdings ein wenig eintönig. 
Baden beim Butterfly Valley

Manu: Die Südwest Küste der Türkei ist reich an wunderschöner Landschaft und Geschichte - und was gibt es Schöneres, als diese mit dem Rad bei strahlendem Sonnenschein und Frühlingsbeginn abzufahren! So überlegen wir den Lycian Wanderweg von Fethyie bis Antalya irgendwann mit Jugendlichen gemeinsam zu entdecken. 

Entscheidungen - noch immer fällt es uns nicht leicht an Kreuzung mit verschiedenen Möglichkeiten eine Entscheidung zu treffen - fahren wir weiter auf der großen Straße und entgehen somit eventuell mühsamen Bergetappen oder nehmen wir lieber die Nebenstraße, wo weniger Verkehr ist....und ist es nicht oft im Leben so, dass wir uns schwer tun eine Entscheidung zu treffen um dann auch mit der Konsequenz zu leben? Ist es nicht immer einfach bequemer breiten, bereits geebneten Wegen zu folgen, die von vielen begangen werden, als kleine individuelle Wege zu wählen, welche vielleicht mühsamer sein mögen - aber sind sie nicht viel schöner und lassen uns zu einem Individuum wachsen, welches seinen eigenen Weg entdeckt? Nicht viele Menschen gehen eine Reise wie wir sie tun ein, wagen sich mit dem Rad in die weite Welt - auch mich hat viel Überwindung und Mühe gekostet aufzubrechen, loszulassen, mich nicht von negativen Meinungen, Warnungen, Sorgen etc. von Menschen beeinflussen zu lassen, stark zu bleiben - mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, meinem Traum, meinen Weg zu wählen und selbst treu zu bleiben! Anfangs war mit noch nicht ganz so bewusst, worauf ich mich da eingelassen habe - aber nun nach über 4000km muss ich zugeben doch mit ein wenig Stolz Menschen hier in der Türkei auf türkisch und mit Hand und Füßen zu erzählen wie weit wir schon gefahren sind. :)
Ich kann also nur jeden empfehlen: Ja, es ist schwer aufzubrechen, sich von alten Mustern zu lösen, eingefahrenen Wegen abzuwenden, loszulassen, Dinge aufzugeben und sich gegen Meinungen der Liebsten zu stellen und nicht nur von diesen beeinflussen zu lassen - aber es ist es allemal Wert! Erst, wenn wir uns bewusst für etwas entscheiden, auf unser Herz hören, erst dann findet das Leben statt, hier spürt ich mich wieder - nur so kann ich, können wir wachsen!  
4000km geschafft. Der Esel kann's beweisen!
Romantischer Zeltplatz auf Nebenwegen 
Unsere Engel aus Finike 
Letzte Rast vor Antalya
Manu: Hier in Lisinia wurde unter anderem ein Projekt für Krebsprävention geboren - Menschen hier in der Umgebung werden aufgeklärt, wie wir unsere Umwelt und somit auch uns vor Schäden schützen können. Dazu zählt auch, wie wir unser Leben leben. Ich bin mir sicher, dass meine Krankheit, meine Krebserkrankung mich aufgeweckt hat und mich deshalb auch kritisch auf unser routiniertes (Stadt)Leben schauen lässt: Tagein tagaus hetzen wir Menschen auf der ganzen Welt durch die Gegend, arbeiten und schuften hart um zu Sparen um irgendwann einmal sich dieses oder jenes leisten zu können - wir alle leben dabei zu selten im Jetzt und Geld is(s)t nicht alles! So schnell kann alles durch Schicksalsschläge vorbei sein. Vielleicht hat mich meine Erkrankung ein bisschen aufwecken und bewusst werden lassen, dass wir unseren Wünschen und Träumen einfach JETZT folgen sollen....und deshalb also befinde ich mich nun hier am Burdur See mitten in der Türkei, in einem Nomadenzelt mit einem lesenden Engländer, einer Amerikanerin und drei Türken, einem singenden Jonathan sowie einem Holzofen und Katzen während draußen der Sturm weht und die selbst gemachte Linsensuppe am Herd köchelt...
Wildanimal Rehabilitationcenter & Anti-Cancer Project Lisinia (www.lisinia.com)
Jonathan: In Lisinia bei Burdur kamen wir an, man begrüßte uns mit einem Essen, zeigte uns das Nomadenzelt in dem wir nächtigen durften und das war es dann. Es gibt keinen geregelten Tagesablauf, die Arbeitszeiten richten sich nach Lust und Laune und ein wenig nach Befehlen vom Chef, gegessen wird nur wenn jemand Essen macht.... Kurz gesagt wir haben uns gefreut wenn es Arbeit gegeben hat! Die war dann sehr interessant und lehrreich aber man braucht schon ein gewisses Maß an Selbstständigkeit um in Lisinia nicht zu verzweifeln und selbst Disziplin, um nicht stink faul zu werden. 
Ich muss beiden Chefs hoch anrechnen, was sie da aufgebaut haben: In Pastoral Vadi wunderschöne Bungalows und ein riesiges Lehmhaus für Yoga, Konzerte... und in Lisinia ein Projekt gegen Krebs und für Naturschutz und Natur Bildung sowie das zweite Projekt das Wildtier - Rehabilitationszentrum. Da muss bei beiden Männern eine starke Vision dahinter stecken, die sie antreibt so etwas zu machen. Das finde ich so bewundernswert. Ich bin froh dass wir uns die Zeit genommen haben bei diesen netten, interessanten Menschen zu bleiben. Übrigens war Zeki aus Bodrum genau so ein bewundernswerter Mensch, der viel in seinem Leben erreicht und aufgebaut hat und ein sehr interessantes Leben gehabt hat!
Lavendel pflanzen beim Burdur See
Manu: (vom 28.03.2013): Meine erste Krankheitsetappe hab ich nun auch überstanden - eine leichte Verkühlung gefolgt von einer heftigen Dünnpfiffattacke in Lisinia. Kaum unter Menschen, da schwirren halt auch die Viren von Einem zum Anderem...
Hier in Senir sind wir herzlichst von einem deutschen Türken und seiner Familie aufgenommen worden - und ich hoffe, dass ich helfen konnte, indem ich die Tochter von unserem Gastgeber auf Facebook gefunden und Kontakt aufgenommen habe, die er seit 15 Jahren nicht gesehen hat - bzw. sehen durfte...es sind oft nur so kleine Dinge im Leben, die wertvoll sein können...

Jonathan: Hier in Senir haben wir noch einen sehr interessanten Menschen getroffen: Ich würde sagen sie ist das Juwel von Senir. Eine 110 Jahre alte Frau, eine Ururur- Oma. Von ihren Kindern ist noch noch eines am Leben. Sie war die ganze Zeit nur hier in der Gegend. Sie hat uns erzählt, dass sie als Kind den 1. Weltkrieg überstanden hat. Ein Erdbeben, und eine Flut haben 90 % der übrigen Dorfbewohner dazu bewegt auszuwandern. Alle ihre Kinder sind nach Deutschland. Mittlerweile kommen ihre Nachfahren nach und nach wieder zurück ins Dorf. Wenn es wieder wärmer ist dreht sie ihre tägliche Runde im Dorf.
Ich habe sie gefragt wie sie das gemacht hat so alt zu werden, ich würde das auch gerne! Sie hat gesagt, dass sie mir wünscht nicht so alt zu werden... 
Von ihrer Tochter, die sie pflegt und meiner Meinung nach selbst Pflege verdient, haben wir Tee und Zuckerl serviert bekommen. Wir sind in ihrer Wohnung gesessen und haben die beiden bewundert!
Dank der netten Familie bei der wir gerade untergebracht sind, und die auch irgendwie mit der alten Oma verwandt ist, durften wir sie kennen lernen. Danke dafür!!
Das Juwel aus Senir ist 110 Jahre alt!
Jonathan: Fazit der gesamten Zeit: Das Leben ist unglaublich interessant und wenn man langsam reist, lernt man wunderbare Menschen kennen mit wunderbaren Geschichten. So stelle ich mir das Reisen vor!!Leider reisen nicht alle so wie wir. Unterwegs sind wir durch die Tourismus-Zentren der Türkei gefahren. Vor allem die Gegend rund um Antalya und Bodrum ist mit riesigen Hotelanlagen, eine neben der anderen, eine größer und luxuriöser als die andere, zugebaut. Man könnte sagen die Tourismus-Industrie frisst die schöne Landschaft und die Kultur. Die Menschen sehen in uns herumlaufende Bankomaten, an jeder Ecke drängen sich Leute auf, versuchen uns irgend etwas anzudrehen, prahlen mit ihren Sprachkentnissen. „Welcome, herzlich willkommen, benvenuti!! Amigo, my friend, mein Freund!!!“..hört man überall, als hätte man beim Vorbeigehen den Bewegungsmelder aktiviert und beim nächsten Geschäft hört man das gleiche wieder...Wir wurden von unserem Gastgeber nach Pamukkale kutschiert, die Touristen Attraktion schlechthin. Ein unglaublich faszinierender Platz muss das gewesen sein, ein wahres Weltwunder, vor allem als die Römer dort gewohnt hatten. Jetzt aber nicht mehr. Der Tourismus hat zu viel zerstört. 

4 Kommentare:

  1. Wer sich über die unterschiedlichen Schriftgrößen wundert, bitte einfach drüber hinwegsehen! Das Programm wollte das so, nicht wir! Es ist schon halb zwei in der Nacht und wir haben keine Lust mehr noch länger herumzudoktern.

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  2. Wie schön wieder von euch zu lesen!!! - habt auch weiterhin eine solch schätzereiche Reise, osterliche Grüße aus Bochum, Jo;-)

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  3. Hallo Manu / Johnathan

    NATÜRLICH haben wir Euch noch nocht vergessen !!

    ..einfach UNGLAUBLICH für uns, was ihr schon geschafft hab't

    ..es ist immer wieder spannend, Euren Bericht zu lesen

    ..wir werden's ab Freitag mit der Gartensaison 2013 versuchen und die Wohnung verlassen

    ..irgendwann kommt Ihr ja wieder (hoffen Gesund) nach Hause, dann würden wir uns freuen , Euch wiederzusehen !!

    Grüsse aus der Heimat - von den Gartennachbarn KGV Kagran

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  4. Hallo Manu und Jonathan,
    alle paar Wochen schau ich rein bei Euch und staune und freue mich über den Weg den ihr beschreitet - und befahrt!
    Eine unschätzbare Erfahrung für s Leben mit mit wertvollen Begegnungen!
    So schön auch, dass Ihr uns teilhaben lasst daran - vielen vielen Dank dafür!
    Alles Gute weiterhin - ich bin schon gespannt wohin Ihr Euch weiter bewegt und entwickelt...
    Herzlich Martin ("Manu s Bergführer")

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