Montag, 30. September 2013

Vipassana in Nepal

Das Annapurna Gebirge bei Sonnenaufgang
Vipassana = Introspection = Selbstbeobachtung

Jonathan:
Nach der wilden indischen Zeit haben wir in Nepal unsere Reisetaktik komplett geändert. Wir waren irgendwie beide von den Strapazen in Indien gerädert. Und so litt auch unser friedliches Miteinander stark unter den Strapazen. Nahezu jedes unerwünschte Ereignis entwickelte sich zum Streit und so waren wir eigentlich ganz froh im "Vipassana meditation center" zu landen und zur Ruhe zu kommen. Erfahrungen in Indien waren wichtig und lehrreich, aber nicht gerade leicht zu ertragen.

Weltweit, auf Spendenbasis: www.dhamma.org

Nepal ist ein Land indem ich mich lange aufhalten könnte! Überall warten Herausforderungen und spannende Angebote für Abenteurer. Mit dem nötigen Geld kann man in Nepal unglaublich schöne  Berge besteigen, umrunden oder einfach über Pässe von Tal zu Tal trecken. Die Landschaft ist wirklich atemberaubend und die Leute sind sehr nett. 
Es gibt die bekannten kommerziellen Touristenrouten zum Everest Base camp, oder rund um die Annapurna Range, die trotz des Massentourismus sehr schön sein sollen und es gibt unzählige Wege und Trecks die weniger abgetreten sind. Ganz Nepal ist durchzogen mit einem dichten Netz an Wanderwegen. Straßen gibt es, bis auf einige Stichstraßen in Richtung der hohen Berge, nur auf der südlichen Hälfte des Landes. 
Unsere Wanderungen beschränkten sich auf die lokalen Gegenden rund um Pokhara, denn die Abenteuerlust hielt sich trotz des riesigen Angebotes in Grenzen. Für Nepal muss man eine eigene Reise planen.


Everything is "Anicca" - impermanent, changing...
Unser Monsunausblick vom Meditationszentrum (hinter den Wolken ist das Himalayagebirge)

Für ein paar Tage lebten wir auf einer kleinen Farm. Der Bauer, ein sehr engagierter Permakultur Bauer setzt sich stark für seine Kollegen ein, um die Landflucht in Nepal zu verhindern. Er bietet Seminare für seine Nachbarn an und er sammelt Spenden für eine Landwirtschafts- Schule in der Region. Wir selbst mussten nicht viel arbeiten. Wir hausten im Bauernhaus über dem Wasserbüffel,  zwischen Ratten und überdimensional großen Spinnen. Aber es gab ein schützendes Moskitonetz.
Die Menschen am Land leben nicht in Armut, aber sie leben sehr sehr einfach, was viele aus dem Westen wahrscheinlich mit Armut verwechseln. 
Fließend Wasser gibt es nun zwei mal am Tag an einem Brunnen den sie mit 12 Nachbarn teilen, Strom gibt es abends für ein paar Stunden. Sie verwenden zum Arbeiten nur sehr wenig Geräte wie eine Machete, sogar der Büffelstall wird per Hand ausgemistet! Eingekauft wird fast nie, die Menschen sind Selbstversorger. Unsere Gastgeber waren wegen der Touristen (pro Nacht und Kopf mit Vollverpflegung umgerechnet ca 1,80 €) eher wohlhabend. Sie konnten sich Arbeiter leisten, die das alte Ehepaar unterstützen.
Die Menschen am Land wirken auf jeden Fall glücklicher als die Menschen in den Städten, auch wenn sie sich über wenig Geld und harte Arbeit beschweren.

Coffee Farm nähe Begnas Tal/Pokhara
Auf unserer Reise nach Kathmandu stoppten wir noch in dem kleinen süßen Dörfchen Bandipur. Ein Dorf mit faszinierender Aussicht auf die Achttausender und vielen Möglichkeiten für kleine Wanderungen durch die Hügellandschaft.

Bergdorf nahe Bandipur
Und dann waren wir in Kathmandu. Wir hausten natürlich in der bekannten "Freakstreet". Die Straße wurde damals so genannt weil sich dort die ersten Touristen, meist langhaarig und bekifft versammelt hatten, wegen der billigen Unterkünfte und der schönen zentralen Lage direkt neben der ehemaligen Residenz  des Königs.
Und weil gerade Welt Tourismustag war bekam ich zum Abschied noch einen Khata umgehängt. Khata ist ein weißer Schal, der traditionell zur Begrüßung dem Gast überreicht wird als Zeichen des Wohlwollens und des Mitgefühls.

"Monkey" oder Swayambhunath Stupa in Kathmandu
Manu:
Wie sehr hab ich mich auf die 10 Tage Vipassana Meditation mitten in der Natur gefreut!
Endlich wieder zur Ruhe kommen, fern von all den Menschen und der hektischen, lauten Umwelt. 
Wie verläuft also so ein 10 Tages Kurs (mit Anreise- und Abreisetag sind es 12 Tage): Am Ankunftstag werden wir eingeteilt - Jonathan wird ein Bett im Männerbreich zugeteilt und ich bekomme eines in einem 4 Bett Zimmer auf der Mädlsseite. Wir dürfen noch reden und uns beim Essensbereich unterhalten während so langsam alle Teilnehmer aus der ganzen Welt eintrudeln. Ich bin mit einer Neuseeländerin, einer Irakerin und einer Nepalesin im Zimmer - schon am ersten Tag hatte ich das Gefühl, dass so manche die 10 Tage schweigen nicht durchhalten werden....


Vipassana Tagesablauf - 10 Tage schweigen und meditieren

Es gibt noch ein letztes „normales“ Abendessen bevor wir eine kurze Einführung erhalten und abends die erste Meditationseinheit stattfindet - danach heißt es STILLE (mit dem Personal und Assistentlehrer darf jedoch bei Bedarf gesprochen werden) für 9 Tage. 
Die ersten 3 Tage lernen wir uns des Atem zu bewusst zu werden, indem wir ganz bewusst auf den Nasenbereich achten sollen um unsere Konzentration zu schärfen. Die Gedanken die anfangs wild sind sollen ruhiger werden, damit wir für die Vipassana Meditation vorbereitet sind.

Rückblickend waren die ersten drei Tage die härtesten für mich. In den Pausen schlafen wir vor Erschöpfung und beim Meditieren ist mein Kopf voller wilder Gedanken - irre was alles so im Kopf herumschwirrt und wie schwer es doch fällt einfach nur auf den Atem zu achten! 10 Stunden pro Tag meditieren wir auf unseren Kissen im großen Saal mit geschlossenen Augen. Schmerzen tauchen auf, die Sitzposition musste ich dauernd wechseln, weil mir alles schon weh getan hat.


Die Essenspausen: Unser Frühstück um 6.30h war unterschiedlich, jedoch immer warm. Das Mittagessen um 11h bestand hauptsächlich aus vegetarischem Dhal Baht - Reis mit verschiedenen Gemüsesesorten und Abends um 17h gab es nur mehr Tee, ein bisschen Früchte und gepufften Reis mit Nüssen. 
Am Tag 4. lernen wir Vipassana: wir sollen für eine Stunde so ruhig wie möglich sitzen - am Besten gar nicht bewegen und scannen unseren Körper von Kopf bis Fuß auf jede Empfindung die wir spüren - wir beachten sie, sollen aber nicht darauf reagieren - wir nehmen sie an, so wie sie ist - sollen keine Wut, Ärger, Aversion aber auch nicht Genuss oder Verlangen empfinden. Leichter gesagt als getan, wenn es hier juckt und da schmerzt. Eine Stunde scheint dann wie eine Ewigkeit....aber wenn wir diese Empfindungen beobachten und nicht gleich reagieren, bemerken wir, dass sie kommen aber auch wieder gehen...


Durch Meditieren können wir einen ausbalanciertes Denken und somit auch Handeln erlernen. Alles im Leben ist „Anicca“ - Veränderung und unser Ego löst sich immer mehr auf zu einem Leben Miteinander.
Abgeschirmt und in Ruhe konnte ich so richtig tief meditieren und erfahren wie ruhig es in meinem Kopf werden kann und welche tiefsitzenden, scheinbar vergessenen Erinnerungen und Empfindungen wieder an die Oberfläche kommen, die ich versuche zu beobachten. Wie schön! :) Außerhalb des Meditationszentrums voll mit Einflüssen aus der Umwelt musste ich allerdings erkennen, dass es nicht mehr bzw. noch nicht so „einfach“ und tiefgehend ist zu meditieren und die Ruhe im Kopf wieder verschwindet....
Ich kann diese Erfahrung nur jedem Empfehlen! Übrigens: Vipassana Meditation wird weltweit in Meditationszentrum angeboten und darf immer nur auf Spendenbasis gehen! Wir werden als Gegenleistung in Malaysien freiweillig mitarbeiten und assistieren. 
Am Tag 9, an dem wir wieder reden durften wollte ich gar nicht so richtig - meine Mädls im Raum hielten es schon während der 10 Tage nicht aus und kicherten und flüsterten immer wieder - kaum durften sie reden brach ein richtiger Redeschwall aus!! Hilfe - ich flüchtete!


Chillen in Pokhara
Die Tage nach Vipassana verbrachten wir ruhig in Pokhara, trafen uns mit den anderen Teilnehmern und wanderten auch einmal gemeinsam nach Panchase. Einen wunderschöner Ausblick auf das Annapurna Gebirge hatten wir dort frühmorgens vom Gipfel aus!
Nepal ist ein landschaftlich wunderschönes Land. Schade finde ich nur, dass sie aus den Bergen so ein irres Business machen - kaum kommst du in die Nähe der Berge musst du (manchmal sogar völlig irre hohe Preise) zahlen. So entschieden wir uns lieber zu einer Coffeefarm zu gehen, mit den Locals und ein paar Reisenden zu leben und danach noch ein süßes Bergdörfchen am Weg nach Kathmandu zu besuchen. Auch hier in Nepal war die Zeit einfach viel zu kurz - schön jedoch, dass ich eine weitere wertvolle Lebenserfahrung mit der Vipassana Meditation machen durfte :)

Frühstück mit Ausblick im süßen Bergdörfchen Bandipur

2 Kommentare:

  1. Hallo Manu / Johnathan

    ..wir haben schon länger nichts von Euch gelesen – vermutl. gibt’s auf Eurer Reiseroute kein Netz - aber

    ..egal wo Ihr zur Zeit seid - wir hoffen es geht Euch beiden gut und wünschen :

    Gesundheit , Frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr

    Grüße aus der Heimat - von den Gartennachbarn KGV Kagran

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  2. Hallo Manu,
    hallo Jonathan,
    ein schöner Bericht über eure Reise und die positiven Auswirkungen von Vipassana.

    Habt ihr eventuell noch ein paar Tipps für Vipassana-Neulinge?

    Alles liebe, Michael

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